Apr
7
2020

JOE SATRIANI: „Shapeshifting“

Satriani

Das Merriam Webster Dictionary definiert den Begriff Shapeshifting als die Fähigkeit, nach Belieben die Gestalt zu verändern. Joe Satriani hat somit einen perfekten Titel für sein neues Album SHAPESHIFTING (erscheint am 10. April 2020) gewählt, denn der Ausnahmegitarrist ist ein wahrer musikalischer Gestaltwandler, wie es nur wenige gibt. In 35 Jahren hat er 18 Studioalben aufgenommen, und dass keines davon dem anderen gleicht, liegt an seiner symbiotischen Beziehung zu seinem Gesamtwerk. Sie ermöglicht es ihm, vergangene Erfahrungen in neue Schaffensphasen einfließen zu lassen.

Manche Künstler blicken nicht gerne zurück, für Satriani hingegen ist die Retrospektive ein wichtiger Teil des künstlerischen Prozesses. „Jedes Album ist in hohem Maß davon geprägt, was in den vorausgegangenen zwei Jahren passiert ist“, sagt er. „Das Vorgänger-Album, die kathartischen Momente, sich die Kompositionen auszudenken, zu schreiben und aufzunehmen, um anschließend damit auf Tour zu gehen – all das ist eine umwerfende Erfahrung.“

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Nachdem sich dieser Kreis geschlossen hat, steht der extrem produktive Gitarrist wieder am Anfang und plant die nächsten Schritte. „Es gibt dabei zwei Symptome, die sich dabei immer wieder zeigen. Der Wunsch, es noch einmal anzupacken und der Drang, so schnell wie möglich in die andere Richtung zu laufen. Es scheint eine bizarre Reaktion des Künstlers auf ein gerade beendetes Werk zu sein“, erklärt Satriani. „Ob es zielführend ist oder nicht, dir bleibt nichts Anderes übrig, als dir vorzunehmen etwas völlig Anderes zu machen.“

Auf seinem neuen Album stellt Satriani das Thema Veränderung in den Mittelpunkt. Als er sich die ersten Demos zur LP anhörte, schien ihm der Begriff Shapeshifting sehr gut zu seinen Songideen zu passen. „Es klang so, als wären hier 15 verschiedene Gitarristen zu Gange. Ich weiß, hier spielt ein und derselbe Typ – es bin ja schließlich ich. Trotzdem rücke ich in ein Gebiet vor, wo jede Melodie eine andere Rolle erfordert.“

Satrianis Mitstreiter, mit denen er die Songs zum Leben erweckt, decken ein weites musikalisches Spektrum ab. So ist Drum-Legende Kenny Aronoff (John Fogerty) mit an Bord, Bassist Chris Chaney (Jane’s Addiction) oder Keyboarder Eric Caudieux. Dazu kommen weitere Gäste wie Lisa Coleman (The Revolution) und Christopher Guest.

Jim Scott (Foo Fighters, Red Hot Chili Peppers, Tom Petty & The Heartbreakers) fungierte als Satrianis Co-Produzent. Ebenfalls beteiligt war John Cuniberti, ein langjähriger Partner des Gitarristen, der mit dem Mastering der LP betraut wurde.

Der energiegeladene Titeltrack des Albums eröffnet mit einem explosiven Aronoff-Fill, das in den ansteckenden Groove von Chaneys Bass überleitet, bis schließlich Satriani einsetzt. In diesen Momenten klingen die drei wie ein Jazz Trio mit einer Überdosis Koffein im Blut, das einfach drauflos jammt. Dieses Prinzip wird sogar beibehalten, während sich der Song immer weiter aufbaut. So fängt der Song die Stimmung ein, die jeder Besucher eines Live-Clubs schon erlebt hat: du betrittst den Club in dem Moment, als die Band auf der Bühne ihren Show-Höhepunkt erreicht.
“Der Track sollte der Startschuss für einen wilden Ritt sein – stilistisch und emotional“, sagt Satriani. „Dieses Album beschäftigt sich mit starken Themen wie tiefer Trauer, Bedauern, aber auch purem Glück und Vergnügen. Dieser Song sollte den Prozess der Verwandlung einleiten.“

Chaney und Aronoff lieferten einen riesigen Input an Vielseitigkeit und Kreativität, Eigenschaften, die für das Projekt unglaublich wichtig waren. Satriani wusste, dass er für eine derart breit gefächerte Playlist nur Musiker anheuern konnte, die in vielen Stilarten zuhause waren. „Wenn dir jemand 15 komplett unterschiedliche Musikstücke vorlegt, dann fragst du dich schon: Wer kann das ganze Zeug spielen, ohne darauf zu bestehen, es mit eigenem Equipment und immer mit der eigenen Spieltechnik zu probieren?“

Satrianis Bauchgefühl überzeugte ihn davon, dass die beiden Musiker, mit denen er noch nie im Doppelpack gearbeitet hatte, gut harmonieren würden. „Sie kannten sich und haben wahrscheinlich über die Jahre schon ein paar Sessions erlebt. Ein Album allerdings haben sie nie gemeinsam eingespielt. Trotzdem klang ihr Zusammenspiel von Anfang an großartig.“

Bei der Suche nach dem geeigneten Tonmann fiel die Wahl auf Jim Scott und auch hier landete Joe Satriani einen Glückstreffer. Der Gitarrist rief den altgedienten Produzenten an und fragte ihn, ob er eventuell an einem instrumentalen Gitarrenalbum mitarbeiten würde. Scott nahm die Einladung prompt und gerne an und lud die Band in sein Studio nach Valencia, Kalifornien ein.

„Ein tolles, verrücktes Studio. Es inspiriert dich jedes Mal, wenn du es betrittst“, sagt Satriani und erinnert sich an seinen ersten Besuch. „Aber so verrückt es dort sein mag, es ist auch ein bodenständiger Ort. Ein Analogstudio wie aus früheren Zeiten mit dem richtigen Mix aus altem, aber feinem Equipment und digitaler Ausstattung. Man wird zum Experimentieren ermuntert und bekommt das bestmögliche Ergebnis.“

Scotts lockere Art erfüllte die Sessions mit positiver Energie und Satriani ist voll des Lobs über seine Fähigkeiten am Mischpult. Aber auch von seinem Umgang mit Menschen als Individuen oder Bandmitglieder schwärmt er in höchsten Tönen, denn in dieser Haltung erkennt sich Satriani wieder: „Ich versuche, eine Atmosphäre zu schaffen, in der jeder ermuntert wird seine Meinung zu sagen. Du profitierst davon, wenn dir jemand sagt ‚Für mich klingt das komisch, du solltest es nochmal spielen‘. Es lohnt sich, auf solche Kommentare zu hören es könnte schließlich was dran sein.“

Der richtige Ort war gefunden, nun konnten sich Satriani und seine Musiker auf das Einspielen der Songs konzentrieren. Die Inspiration dazu kam aus sehr interessanten Quellen. So verlegt Joe die Handlung des Songs “Ali Farka, Dick Dale, an Alien and Me” ins Herz der Sahara, wo er spätnachts mit den im Titel erwähnten Musikern und einem Außerirdischen musiziert.

Auf den ersten Blick bilden Ali Farka Toure und Dick Dale ein komisches Team, aber Satriani sah einen gemeinsamen Nenner. „Diese Jungs sind so verschieden, aber es eint sie, dass ihre musikalischen Ursprünge außerhalb den USA liegen und sie ihren Sound hierher transportiert und neu interpretiert haben.“

Auf “Nineteen Eighty” reist Satriani zurück in die Zeit, als er mit seiner ersten Band, den Squares, arbeitete. Joe erinnert sich, dass damals Akrobaten auf dem Sechssaiter nicht gefragt waren. Die Gitarrensoli wurden im Mix eher zurückgefahren und ein simpler Stil bevorzugt, um einen coolen New Wave Vibe zu kreieren. Diese Vorgaben sind seit Jahrzehnten passé und so legt Satriani ordentlich los und lässt die alten Zeiten Revue passieren.


Um den Sound jener Tage zu reproduzieren, verwendete er einen MXR EVH Phaser. „Ich war immer ein großer Fan von Eddie Van Halen“, sagt Satriani, „für mich bildet er die Essenz dieser Ära. In den späten 70ern und frühen 80ern war er der Retter des Gitarrenrock, ein Job, den ich auch übernommen hätte.“

Das nachdenkliche “All For Love” ist eine Komposition aus den 90ern und man hört dem Titel an, dass er als orchestrales Projekt geplant war, das jedoch nie verwirklicht wurde. Satriani hatte sich seither immer wieder mit dem Song beschäftigt und schließlich entschieden ihn fertigzustellen, ohne ihn je auf der Gitarre gespielt zu haben. Das Ergebnis ist beeindruckend und man glaubt kaum, dass so viel Zeit vergehen musste, bis er schließlich im Kasten war. Doch dafür gibt es gute Gründe.
Satriani muss lachen, wenn er den Sachverhalt erklärt: “Es mag einfach klingen, aber hier sind ein paar hohe Töne zu spielen, an denen sich kein Gitarrist gerne versucht. Aber ich war mir ganz sicher: Wenn ich es hinbekäme, würde es sehr emotional klingen es wäre ein fantastischer Track. Also strengte ich mich an und glücklicherweise konnten wir eine Live-Version mitschneiden, mit der 99% der Arbeit am Song erledigt war.“
In der finalen Version sind sogar die „Sci-Fi-Soundtrack“ Keybord-Sounds zu hören, die ursprünglich in den 90ern aufgenommen wurden.

Der langjährige Weggefährte Eric Caudieux hat einige Einträge in den Liner Notes zu Shapeshifting, doch sie erzählen nur einen kleinen Teil der Geschichte, wenn man bedenkt, wie vielseitig er eingesetzt wurde. „Auf dieser LP saß er hinter unfassbar seltsamen alten Keyboards und spielte für uns. Es gab eine große Hammond, aber auch einen kleinen Synthie von Radio Shack. Er probierte alles aus, vor allem, weil er von uns dazu genötigt wurde“.
Satriani ist amüsiert und merkt an, dass Caudieux auch ein formidabler Gitarrist ist. „Die Leute wissen gar nicht, dass er Gitarre spielt, wenn sie ihn nicht auf Tour erlebt haben. Auf der Live in San Francisco – DVD spielt er Keyboards und Gitarre.”

“Er hat auch ein tolles Ohr für interessante Sounds und ihr Zusammenspiel. Für mich ist er ein wichtiger Bestandteil des Teams. Und wenn es nur darum geht, das Gitarrenspiel zu bewerten. Manchmal gab ich ihm acht Takes, die ich eingespielt hatte und fragte ihn, was er davon hielt. Bei ‚All For Love‘ riet er mir zum Beispiel dazu, den zuletzt eingespielten Take zu verwenden. Wäre er nicht da gewesen, ich hätte mich wohl anders entschieden. Aber ich vertraute ihm. Für ihn hatte die Version etwas Magisches, das ich nicht wahrnehmen konnte, weil ich mich vielleicht auf ein Geräusch aus dem Amp oder ein anderes Detail konzentrierte, das nur einem Gitarristen auffällt.”

Fans, die Satrianis akustisches Werk vorziehen, werden den organischen Touch von “Yesterday’s Yesterday”, einer unkonventionellen Uptempo-Nummer, lieben. Sie bildet den Schlusspunkt des Albums, hier sind die Gastauftritte von Lisa Coleman (Piano) und Christopher Guest (Mandoline) zu hören.

Eric Caudieux, der vor kurzem mit Lisa Coleman gespielt hatte, kam auf die Idee, die Pianistin anzuheuern. Er war der Ansicht ihr Stil würde gut mit Satrianis Vorstellungen harmonieren. „Natürlich kennt sie jeder von Prince and the Revolution …“, sagt er, „… aber als ich mir ihre eigenen Kompositionen anhörte, wurde mir klar, dass sie dem Sound einen besonderen Touch verleihen würde. Lisa spielte dann nicht nur auf ‚Yesterday’s Yesterday“ sondern auch auf „Waiting“ mit, zwei komplett unterschiedlichen Titeln, bei denen sie eine wundervolle Performance hinlegte.
Christopher Guest ist vielen Leuten eher als Schauspieler bekannt, aber seit seinen Highschool-Tagen ist er auch Mandolinist, der mit seinem Klassenkameraden Arlo Guthrie in derselben Band spielte. Als Satriani einen Gastauftritt mit Spinal Tap hatte, konnte er sich von Chris‘ Qualitäten überzeugen: „Ich hörte, wie er sich backstage aufwärmte und dann war es klar – der Typ ist ein Vollblutmusiker und kein Schauspieler, der sich ein paar Akkorde draufschafft.“

Mit der gepfiffenen Melodie im Intro des Songs verbindet Satriani Kindheitserinnerungen. Durch die zusätzliche Geräuschkulisse, die zu hören ist, wird diese Sequenz noch intensiviert. „Die Aufnahme stammt von meinem Telefon“, erzählt Satriani. „Ich habe die Geräusche in Italien, in Molfetta aufgenommen, als ich durch die Stadt spazierte. Wir kamen in einen Park, in dem tausende Insekten das lauteste Getöse veranstalteten, das du je gehört hast!“

In jedem der Songs auf Shapeshifting verbergen sich solche speziellen Details und machen die LP zu einer der faszinierendsten in Satrianis Œuvre. Sie bündelt die Arbeit des vergangenen Jahres und dokumentiert die Reise, die Joe und seine Musiker unternommen haben.

Satriani zeigt sich zufrieden mit dem Ergebnis: “Was Studioarbeit und finales Mixing angeht, waren Jim und ich einer Meinung. Shapeshifting sollte mutig und gefährlich klingen, die Musiker sollten ihren Parts Leben einhauchen und hatten dabei alle Freiheiten. Das hat sich ausgezahlt.“

Joe Satriani "Shapeshifting"

Joe Satriani SHAPESHIFTING erscheint am 10. April 2020 als CD, LP, digitaler Download und ist in den Streaming-Portalen erhältlich. Die Tour zum Album wurde ins Jahr 2021 verschoben.

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