Jan
9
2020

Fleetwood Mac: Der Anfang von etwas Großem

Fleetwood Mac

Spätestens seit RUMOURS aus dem Jahr 1977 sind Fleetwood Mac weltbekannt. Ihr Start als Bluesband und die erste Hinwendung zu anderen Stilen ist auf dem Live-Mitschnitt BEFORE THE BEGINNING dokumentiert. Im Mittelpunkt der frühen Phase steht mit Peter Green einer der besten britischen Gitarristen seiner Zeit – und einer der ungewöhnlichsten.

Text: Chris Hauke

Mitte der 1960er-Jahre brodelt die Musikszene im Vereinigten Königreich, vor allem in London trifft alter Blues auf junge Gitarrenhelden, die sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Peter Green hat dieses Spiel nie mitgemacht. Als Nachfolger des immens populären Eric Clapton bei John Mayall’s Bluesbreakers tritt er 1966 ein schweres Erbe an, schwimmt sich aber schnell frei und setzt eigene Akzente. Doch allzu lange hält er es dort nicht aus. Green will sein eigenes Ding machen. 1967 startet er Fleetwood Mac.

Peter Green Fleetwood Mac
Peter Green. Foto: Barry Plummer

Gegen den Trend

Allein der Name „seiner“ Band, Fleetwood Mac, ist ein süffisantes Augenzwinkern in Richtung Personenkult à la Jimi Hendrix Experience oder der Jeff Beck Group, deren Aushängeschilder damals die Szene dominieren. Green tauft die Band nach einem Instrumentalstück, das er in seiner Zeit bei John Mayall geschrieben hat. Namensgebend war dessen damalige Rhythmussektion mit Mick Fleetwood an den Drums und John McVie am Bass, der sich allerdings erst nach einigem Zögern der auch nach ihm benannten neuen Combo anschließt. Der Zusatz „Peter Green’s“ ist lediglich auf dem ersten Album zu finden.

Bodenständige Blues-Heroen

Zu Green, Fleetwood und McVie gesellt sich mit Jeremy Spencer ein weiterer Gitarrist, was im Zeitalter der damaligen Blues- und Rock-Supergroups eher ungewöhnlich ist – weder Jimi noch Jeff noch Eric oder später Jimmy Page bei Led Zeppelin dulden einen zweiten Saitenschwinger neben sich. Green dagegen freut sich, Spencer in der Band zu haben und unterstützt ihn bei dessen Interpretationen von Songs der Blues-Größe Elmore James gerne und dezent aus der zweiten Reihe. In einem Interview sagt er dazu später: „Warum sollte ich auf einmal im Mittelpunkt stehen wollen? Das habe ich früher auch nicht gewollt.“ Auch optisch bleiben Green und seine Kameraden bodenständig. Bei ihrem ersten großen Gig beim National Jazz & Blues Festival Windsor treffen sie im August 1967 backstage auf Eric Clapton, mit Cream mittlerweile ein großes Licht am Musikhimmel. Mit toupierten Haaren, Ringen an jedem Finger und in edles Tuch gewandet schaut er Green in seinen Jeans und T-Shirt an und sagt: „Wenn du so rumläufst, wirst du nie ein Star.“ Aber darum ging es Green nie: „Wir sahen ungepflegt aus, aber das war uns egal. Ich wollte lieber ärmlich rüberkommen, anstatt abgefahrene Klamotten zu tragen.“ Ihre zugängliche Art verschafft der Band viel Kredit und macht einen Teil der Chemie mit dem Publikum aus.

Seele statt Speed

Zu Anfang ihrer Karriere spielen Fleetwood Mac Blues klassischer Prägung, vor allem Greens Idol B.B. King und Spencers Slide-Vorbild Elmore James stehen Pate bei der Songauswahl. Auch die meist von Green geschriebenen eigenen Nummern folgen traditionellen Pfaden. Was Green von vielen seiner Kollegen unterscheidet, ist der Anspruch an sein Spiel: Für ihn steht der Ausdruck an erster Stelle, das Streben nach einer immer höheren Geschwindigkeit, die zahlreiche Zuhörer mit Qualität gleichsetzen, führt seiner Ansicht nach in eine Sackgasse: „Das habe ich bei Mayall gemacht, wenn die Dinge nicht gut liefen. Aber das taugt nichts. Ich will die Noten langsam spielen und sie alle fühlen, denn sie kommen aus meinem Herzen.“

Die nächste Stufe

Mitte 1968 startet das Quartett erstmals in Richtung USA, um ihre Version des Blues in das Mutterland zu bringen. Die Tournee wird zur ersten Zäsur für die noch jungen Fleetwood Mac. Green will nun endgültig dem engen Korsett des Blues entfliehen und heuert nach der Rückkehr ins heimische UK mit Danny Kirwan einen weiteren Gitarristen an, der die Möglichkeiten der Band erweitern soll. Später formulierte er es mit diesen Worten: „So sehr ich den Blues liebe, fand ich das Format immer recht einschränkend.“ Erste Versuche hat Green bereits unternommen – im Frühjahr ist „Black Magic Woman“ erschienen, das ihm einen bald prominenten neuen Fan bringen wird: Carlos Santana macht den Song zwei Jahre später zum Welthit und nennt Green neben B.B. King fortan als sein größtes Vorbild.

Der Albatross hebt ab

Greens nächste Komposition führt noch weiter von allem weg: Ein getragenes Instrumentalstück frei von jedweder Gitarrenartistik, dafür mit viel Luft und Atmosphäre. Die Skepsis in der Bluesszene ist groß und führt gar zu hämischen Bemerkungen. Der britische Bluessänger Long John Baldry zweifelt öffentlich: „Ich sehe den Sinn dahinter nicht. Es zeigt definitiv nicht Greens Fähigkeiten und wird viele seiner Fans enttäuschen. Und es wird auch nichts auf dem Popmarkt erreichen.“ Zumindest mit dem zweiten Teil liegt er komplett daneben: „Albatross“, so der Name des Songs, erklimmt im Januar 1969 die Spitze der britischen Singlecharts und bringt die gefeierte Bluesband damit auf das Radar einer komplett anderen Hörerschaft. Der Startschuss für eine Weltkarriere ist gelegt.

Der Preis des Ruhms

Doch Green machen diese Entwicklung und die damit verbundene Aufmerksamkeit nicht glücklich. Er flüchtet sich in Drogen, sein Abschied ist nur noch eine Frage der Zeit. Doch vorher hinterlässt er der Band und dem Rest der Welt noch einige grandiose Kompositionen – etwa „Oh Well“ oder das antimaterialistische Manifest „The Green Manalishi (With The Two Prong Crown)“ über die seiner Meinung nach teuflische Macht des Geldes. Es wird das Vermächtnis von Peter Green bei Fleetwood Mac, bevor er im April 1970 aussteigt und für lange Zeit in der Versenkung verschwindet. Seine Kollegen Mick Fleetwood und John McVie werden mit den neuen musikalischen Horizonten bald in ganz andere Sphären vordringen – und wissen bis heute, dass sie Peter Green viel zu verdanken haben.

Fleetwood Mac

BEFORE THE BEGINNING versammelt Live-Aufnahmen aus den Jahren 1968 und 1970, dazu kommen einige Demo Sessions aus der Phase mit Peter Green. Das Komplettpaket ist als 3-fach-CD mit umfangreichen Liner Notes erhältlich, auf Vinyl gibt es bislang den ersten Teil VOL: 1 LIVE 1968 mit den Aufnahmen der ersten USA-Tournee auf drei 180 Gramm schweren Schallplatten. Volume 2 wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2020 auf den Markt kommen.

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