Zehn Songs. 41:35 Minuten Vollgas-Rock’n’Roll. Ein Höllenritt, eine Hardrock-Offenbarung: Mit HIGHWAY TO HELL, ihrem fünften Studio-Album, gelang AC/DC vor genau 40 Jahren der ganz große Durchbruch, auch dank eines neuen Produzenten. Das Werk war das erste von AC/DC, das sich über eine Million Mal verkaufte. Ein weltweiter Triumph – mit tragischem Ausgang…
Text: Alex Gernandt
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„No stop signs, speed limits. Nobody’s gonna slow me down…“ Diese Zeilen singt der unvergleichliche Bon Scott auf „Highway To Hell“, dem Titelstück des gleichnamigen fünften AC/DC Longplayers: Platz da, jetzt komme ich, keiner kann mich aufhalten! Das begleitende markerschütternde Gitarrenriff von Malcolm Young zählt neben „Smoke on the Water“ und „All Right Now“ längst zu den bekanntesten der Rockgeschichte. „Don’t stop me!“ – das war das Lebensmotto des legendären AC/DC-Frontmanns. Doch bis das Album HIGHWAY TO HELL fertiggestellt war, galt es noch einige Hürden und Hindernisse zu überwinden!
AC/DC hatten sich seit Bandgründung 1973 besonders in Europa einen respektablen Ruf in der Rockszene erspielt und mit Top-Alben wie HIGH VOLTAGE, DIRTY DEEDS DONE DIRT CHEAP, LET THERE BE ROCK und POWERAGE ein beachtliches Album-Repertoire zusammengerockt, unter der Ägide der versierten Produzenten und ex-Easybeats-Musiker Harry Vanda und George Young, letzterer der ältere Bruder von Angus und Mal.
Zusammen war man ein eingespieltes Team, alle Alben hatte man bislang in Sydney, der Heimat von AC/DC aufgenommen. Nur in den USA war der große Durchbruch trotz diverser Tourneen im Vorprogramm großer Acts wie KISS, UFO, Aerosmith oder Journey bis dato nicht gelungen. POWERAGE, das letzte Studioalbum vor HIGHWAY TO HELL, schaffte es in den Staaten gerade mal bis Platz 113 der Billboard-Charts. Eindeutig zu wenig für ihre damalige Plattenfirma Atlantic Records, die immerhin Megaseller wie Led Zeppelin und Foreigner unter Vertrag hatte.
ERFOLGSDRUCK AUS DEN USA!
Jetzt stand das fünfte Album an, und Atlantic drängte auf Erfolg um jeden Preis! Der Plattenboss war der Meinung, gravierende Veränderungen seien dazu nötig. Und so kam man in New York von Businessseite zu dem Entschluss, das bewährte Produzententeam auszutauschen. Eine Entscheidung über den Kopf von Bandboss Malcolm Young hinweg, die diesen loyalen, gradlinigen Typen entsprechend verärgerte. Schließlich ging es hier um seinen eigenen Bruder George. Und AC/DC ist Family Business! Außerdem war es Vanda/Young immer bestens gelungen, AC/DCs dreckigen, rohen, ungeschliffenen und vom Blues beeinflussten Rocksound auf Vinyl zu bannen – ganz nach Malcolms klaren Vorstellungen.
Doch für das kommende Album engagierte Atlantic nun kurzerhand Produzent und Toningenieur Eddie Kramer. Das ist nicht irgendwer, sondern ein renommierter Soundexperte, der schon mit Jimi Hendrix, Led Zeppelin, Santana und KISS im Studio gearbeitet hatte. Er sollte AC/DC den großen Erfolg bringen. Die zweite Neuerung, vorgegeben von Atlantic: Nach den ersten Demo-Aufnahmen in den Albert Studios in Sydney, zog man im Februar 1979 um nach Miami, Florida in die Criteria Studios. Doch die Zusammenarbeit mit Eddie Kramer stand unter keinem guten Stern. Malcolm war von Beginn an äußerst skeptisch, die Stimmung im Studio schnell im Keller. Gleich beim Kennenlernen hatte Kramer die Band provozierend gefragt: „Kann euer Sänger überhaupt singen?“ Als er dann noch auf die glorreiche Idee kam, AC/DC sollten eine Coverversion von „Gimme Some Lovin'“, dem Hit der Spencer Davis Group, einspielen, riss Malcolm endgültig der Geduldsfaden. Es hatte keinen Sinn, die Zusammenarbeit mit Kramer wurde jäh beendet.
„Kann euer Sänger überhaupt singen?“ – Eddie Kramer
Michael Browning, seinerzeit Manager von AC/DC, hatte schließlich den rettenden Einfall. Er war befreundet mit „Mutt“ Lange, eigentlich Robert John Lange, einem jungen, aus Südafrika stammenden Produzenten. Der damals 31-jährige hatte einige Achtungserfolge aufzuweisen, Platten von Graham Parker, Supercharge, Clover (mit Huey Lewis!) und City Boy produziert. Mit „Rat Trap“ von Bob Geldof und seinen Boomtown Rats war ihm kurz zuvor sogar sein erster Nummer-1-Hit in England gelungen. Nur mit Hardrock hatte er bislang nichts am Hut.
WAS „LANGE“ WÄHRT… AC/DC, NEXT LEVEL!
In den Roundhouse Studios in Chalk Farm, Nordlondon, dem neuen Aufnahmeort, erwies sich Mutt Lange als absoluter Perfektionist und als, im wahrsten Sinne des Wortes, tonangebend. Malcolm, Angus und auch Bon gefiel das zunächst gar nicht, sie waren es gewohnt zu bestimmen, wo es langgeht. Doch schnell merkten sie, dass Lange fähig war, noch mehr aus ihnen herauszuholen. Immer und immer wieder ließ er die neuen Songs einspielen, bis sie perfekt saßen. Die Band wurde dabei auf eine harte Geduldsprobe gestellt, denn bisher spielte man Platten ruckzuck in drei Wochen ein, inklusive Songwriting! Die Aufnahmen zu HIGHWAY TO HELL hingegen dauerten geschlagene drei Monate, täglich wurde bis zu 15 Stunden geackert. AC/DC gaben Vollgas und die Mühen lohnten sich.
Besonders Bons Stimme klingt auf HIGHWAY TO HELL stärker denn je. Mutt Lange zeigte Bon eine ganz spezielle Atemtechnik, zuvor hatte er einfach nur ins Mikro geschrien. Außerdem führte Lange bei AC/DC die mächtigen, mehrstimmigen Backgroundchöre ein, die den Sound deutlich voluminöser klingen ließen. Next Level: Stadion-Rock! Mit Können und Finesse verlieh er Stücken wie „Girls got Rhythm“, „Touch too much“, „Walk all over you“, „Beating around the Bush“ oder „If you want Blood (You’ve got it)“ produktionstechnisch den letzten Schliff, ohne dass sie zu glatt und poliert klangen. Schließlich ging es hier immer noch um AC/DC!
AC/DC – EIN PUNKROCK-ACT?
In England hatte die Plattenfirma die Band zu Beginn ihrer Karriere Mitte der 70er als Punkrock-Act vermarkten wollen, weil Punk eben gerade angesagt war. Man versah die ersten Veröffentlichungen sogar mit Stickern: „AC/DC – Punkrock from Australia“. AC/DC mögen die Energie des Punk haben, aber Chuck Berry war ihnen immer näher als etwa The Clash. In den USA damals das andere Extrem: Hier regierte Mainstream-Rock von Acts wie Toto, Styx oder Fleetwood Mac die Charts. AC/DC waren weder das eine noch das andere. Und das machte Mastermind Malcolm sowohl Produzent Lange als auch seiner Plattenfirma klar. Der unverwechselbare, erdige AC/DC-Sound wurde beibehalten, aber zu einem gewissen, vertretbaren Grad verfeinert und so radiotauglich gemacht. Das funktionierte und überzeugte sogar Kritiker, die AC/DC zuvor noch als Krachmacher denunziert hatten.
Malcolm, Angus, Bon, Drummer Phil Rudd und Basser Cliff Williams waren mit dem Endergebnis wirklich zufrieden. Nur eine einzige Nummer bereut Angus im Nachhinein: „Love Hungry Man“. „Ich muss ein schlechtes Stück Pizza erwischt haben, als ich das geschrieben habe. Ich nehme die Schuld auf mich …“, kommentierte er den Track.
Die AC/DC-Fangemeinde liebte HIGHWAY TO HELL auf Anhieb, in Europa, Australien und auch in den USA. In Deutschland erreichte das Album Platz 7 der Media-Control-Charts, stand erstmals in den Top 10. Und in Amerika wurde zum ersten Mal die Top 100 der Billboard-Charts geknackt, mit Höchstplatzierung auf Rang 17. Die Plattenfirma bekam also den veritablen Hit, den sie gefordert hatte. HIGHWAY TO HELL wurde die erste AC/DC-Platte, die sich über eine Million Mal verkaufte. Zu damaligen Zeiten eine echte Sensation. Bis heute zählt das Werk zu den wichtigsten, vollkommensten Rockscheiben ever. Auch Musikerkollegen waren restlos begeistert. Billy Gibbons von ZZ Top etwa. Als er im Studio das Album ELIMINATOR aufnahm, soll er jeden Morgen erstmal Songs wie „Highway to Hell“, „Get it hot“ oder „Shot down in Flames“ volle Kanne aufgedreht haben – zur Motivation!
DER ALBUMTITEL – GOTTESLÄSTERUNG?
Dabei war es kurz vor Veröffentlichung von HIGHWAY TO HELL am 27. Juli 1979 noch einmal zu Querelen mit Atlantic Records gekommen. Die US-Plattenfirma wollte um jeden Preis den Albumtitel verhindern. Wegen befürchteter Gotteslästerung und aus Angst vor mächtigen religiösen Gruppen und drohender Zensur in den USA. Doch AC/DC setzten sich durch, der Titel blieb.
Angus hatte einst in einem Interview die nerven- und kräftezehrenden Endlos-Tourneen durch die Staaten als einen “Highway to Hell“ bezeichnet. So war der Titel zustande gekommen. Und entsprechend wurde das Cover gestaltet: Angus in typischer Schuluniform, mit Teufelshörnern, umringt von der Band, Bon direkt rechts neben ihm, mit diabolischem Grinsen. In Australien kam das Werk mit leicht abgewandeltem Cover auf den Markt: Hier wurde zum Bandfoto mittig noch der Hals einer Bassgitarre eingefügt, eine Art „Autobahn zur Hölle“ symbolisierend, dazu lodernde Flammen, das Höllenfeuer.
LIVE-PREMIERE IN DEUTSCHLAND!
Am 1. September 1979 feierten AC/DC in Deutschland Live-Premiere ihres brandneuen Albums beim Open-Air auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg. Sie spielten neben The Who, Cheap Trick und den Scorpions, ein Foto von Bon, auf dem er Angus geschultert hatte, zierte kurz darauf das Cover der Bravo. Die Singles „Touch too much“ und „Girls got Rhythm“ liefen regelmäßig im Radio. Dann tourten Angus, Bon & Co. wieder unermüdlich durch die Vereinigten Staaten und kamen Mitte November 1979 für 16 Konzerte nach Deutschland zurück. Im Vorprogramm am Start: Judas Priest mit ihrem Album KILLING MACHINE. Alle Hallen waren so gut wie ausverkauft, neben Klassikern wie „Riff Raff“, „Live Wire“, „Whole lotta Rosie“, „Sin City“, „TNT“, „Bad Boy Boogie“ oder „High Voltage“ boten AC/DC im Live-Programm neue Songs wie „Shot down in Flames“, „Walk all over you“, „Girls got Rhythm“, „If you want Blood“ und natürlich die neue Über-Hymne „Highway to Hell“, die überall zehntausendfach mitgegrölt wurde.
DIE SCHRECKENSNACHRICHT!
Im Rahmen des Paris-Konzerts entstanden im Dezember Szenen für den sehenswerten Doku-Streifen LET THERE BE ROCK. Nach einer kurzen Weihnachts- und Neujahrspause wurde die HIGHWAY TO HELL-Tour Mitte Januar in Frankreich fortgeführt und am 27. Januar 1980 endete sie mit einem mittlerweile denkwürdigen Konzert im Gaumont Theatre im südenglischen Southampton. „Let there be Rock“ sollte der letzte Song sein, den Bon jemals auf einer Bühne singen würde. Keine vier Wochen später die erschütternde Nachricht: BON SCOTT IST TOT! Fans in aller Welt sind geschockt und können es nicht glauben. Am 19. Februar 1980 wird der legendäre, allseits beliebte und bewunderte AC/DC-Frontmann nach durchzechter Nacht im Wagen seines Freundes in East Dulwich, London leblos aufgefunden. Jede Hilfe kommt zu spät. Der Rock’n’Roll-Lifestyle hatte seinen Tribut gefordert.
Angus erinnert sich in einem Interview: „Bons Freundin Silvia rief mich an und berichtete unter Tränen von seinem Tod. Was für ein Schock! Wir waren gerade alle in London, um Demos für das nächste Album aufzunehmen. Bon war ins Studio gekommen und hatte aus Gag noch Drums auf dem neuen Song ‚Have A Drink On Me‘ gespielt, ausgerechnet. Er war keineswegs so selbstzerstörerisch, wie er oft dargestellt wurde. Bon liebte das Leben, er trank, verpasste aber nicht ein einziges Konzert. Und plötzlich war er weg. Für immer.“
So endet für AC/DC der große Triumph mit einer unfassbaren Tragödie. HIGHWAY TO HELL wird für Bon Scott nicht nur sein erfolgreichstes Album, sondern auch letztes – und der Titel bittere Realität:
„And I’m goin’ down/ All the way/ I’m on a Highway to Hell…“
Er wird nur 33 Jahre alt. Sein tragischer Tod bedeutet das Ende der Band, befürchten damals die Fans. Und so sehen es auch Malcolm und Angus. Doch ausgerechnet Bons Mutter ist es, die bei der Beerdigung ihres Sohnes in Perth, Australien die Young-Brüder beschwört, im Sinne Bons weiterzumachen. Nach einer Zeit der Trauer beschließen Angus und Malcolm tatsächlich, weiterzurocken – und widmen Bon Scott ihr nächstes Album: BACK IN BLACK.
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