Jan
5
2010

Pfarrer mit Haschisch vergiftet

Pfarrer mit Haschisch vergiftet

Interviews mit Ozzy Osbourne sind ein großer Spaß. Zwar ist der von seiner Plattenfirma brillant titulierte „Prince of Darkness“ kein Wortakrobat, für coole Sprüche aber immer zu haben. Davon profitiert natürlich auch „Ozzy: Die Autobiografie“, die im Dezember im Heyne Verlag erschienen ist. „Ich kenne viele Gesichter. Und viele Namen. Aber wenn es darum geht, Gesichter und Namen zusammen zu bringen, habe ich so meine Probleme“, stellte Ozzy Osbourne einmal in einem Interview fest. Das war bereits in den 80er Jahren. Die Frage, welchen Sinn eine Autobiografie über unzählige Hektoliter Fusel sowie unvorstellbare Mengen an Pillen, Joints und Kokainstreifen macht, stellt sich nur zu Beginn, denn Ozzy erklärt bereits in der kurzen wie amüsanten Einführung selbst: „Verdammt. Ich kann mich an nichts erinnern“. Auf den nächsten knapp 500 Seiten folgen also weniger belastbare Zeitzeugenaussagen als eine Sammlung an Anekdoten, die ein schillerndes Rockerleben mit seinen Höhen und Tiefen kurzweilig beschreiben. Blutrünstige Episoden Wirklich Neues springt dabei nicht heraus, verbrachte Ozzy den großen Teil seines Lebens gut dokumentiert in der Öffentlichkeit ? entweder auf der Bühne, im Pub oder auf den Bildschirmen von MTV. Die Geschichte mit dem abgebissenen Fledermauskopf ist ebenso bekannt wie die mit der zerfledderten Friedenstaube beim alles entscheidenden Meeting zu Beginn seiner Solokarriere. Oder der Versuch, im Rausch seine Ehefrau Sharon zu erdrosseln. Eher blutrünstige Episoden, die nicht das wahre Ich des Sängers widerspiegeln. Im Grunde genommen sei er schon immer ein Clown gewesen, der alle zum Lachen gebracht habe, erklärt Ozzy immer wieder. Während seiner Kindheit in der trostlosen Industriestadt Aston war das seine Überlebensstrategie, denn als Dyslexiker sei er in der Schule immer der Loser gewesen. Der Fürst der Finsternis: ein Angsthase! Eine erstaunliche Offenbarung: Der später als Satanist verschriene Fürst der Finsternis war schon als Kind ein Riesenangsthase. „Ich mache mir immer Sorgen. Erst recht, wenn ich keine habe“, erklärte er bei Veröffentlichung des Buches. Der Grund für seinen Einstieg ins Musikbusiness sei einfach gewesen: Er wollte weder als Knacki noch als Fabrikarbeiter sein Dasein fristen. Also überredete er seinen Vater, ihm ein Mikro und einen Verstärker zu kaufen, womit er schließlich auf die späteren Mitglieder von Black Sabbath stieß, die aus derselben Stadt stammten. Hobbstweedle oder Led Zeppelin? Mit Schlagzeuger Bill Ward hing er vor einem Plattenladen in einem Einkaufszentrum ab. „Dieser Betonklotz war vom ersten Tag an eine Beleidigung fürs Auge. Man konnte ihn nur durch einen nach Pisse stinkenden Tunnel erreichen, in dem es von Taschendieben, Dealern und Pennern wimmelte“, erinnert er sich. Dort lernt er Robert Plant kennen, der gerade ein Angebot von Jimmy Page erhalten hat, sich seiner Band anzuschließen. “ Eigentlich habe ich eine neue Band gegründet, Hobbstweedle“, erklärt Plant. Zum Glück entscheidet er sich dann doch für Page und Led Zeppelin. Natürlich macht sich Ozzy über Plants Namensgebung lustig, ist aber ehrlich und gibt zu, dass Polka Tulk Blues Band nicht wesentlich besser klang. Erst später einigten sich er und seine Mitstreiter auf das prägende Black Sabbath. Ihr erstes Album nahmen sie im Laufe eines Morgens auf. Nett fällt die Beschreibung der Reaktion in der Familie aus, als der stolze Sohn die Scheibe zuhause auflegte. „Wann geht denn endlich die Musik los? „, fragte der Papa, als die dumpfen Kirchenglocken des Intros ertönen. Auch beim anderen Geschlecht hielt sich die Begeisterung zunächst in Grenzen: „Ich war nie ein Romeo. Nicht mal nach unserer goldenen Schallplatte kriegte ich ein hübsches Mädchen ab“, stellt Ozzy fest. Schuld daran sei das düstere Image der Band gewesen, wobei alles nur gespielt gewesen sei. „Das Gute am Satanismus-Mist war, dass er uns jede Menge Gratis-Publicity verschaffte“. Pfarrer mit Haschisch vergiftet Zu Beginn lief alles super. Der bekannteste Titel der Band, „Paranoid“, entstand während einer Mittagspause und war in 20 Minuten geschrieben und eingespielt. Die Kontaktschwierigkeiten mit dem anderen Geschlecht gaben sich auch bald. Hinzu kamen Alkohol und Unmengen an Drogen, die das Leben on the road zunächst erträglich gestalteten, dann zunehmend belasteten. In den kurzen Abschnitten, in denen Ozzy in der Heimat war, heiratete er, zeugte ein Kind und zog aufs Land, wo er im Pub abhing, im Garten rumballerte, den Pfarrer mit einer Haschisch-Torte fast vergiftete und sich selbst hammermäßig abschoss. Eine Tätigkeit, die neben der Musik sein Leben in den folgenden Jahrzehnten bestimmte. Seine spätere Managerin und Ehefrau Sharon fand Ozzy 1980 nach einer monatelangen Drogen- und Alkoholorgie, die seinem Rauschmiss bei Black Sabbath folgte, in seiner Pisse und Kacke sitzend. Erstaunlich, dass sie es bis heute mit ihm ausgehalten hat, wie auch der Sänger selbst findet. Amüsiert erinnert er sich über die 17 Heiratsanträge, die er ihr stellte, und die jedes Mal katastrophal endeten. Ebenso wie der erste Abend als vermähltes Paar, als sie schließlich doch ja sagte. „Ich schaffte es nicht einmal mehr in die Suite. Um fünf Uhr morgens musste der Hotelmanager bei Sharon anrufen. ‚Bitte holen Sie Ihren Ehemann ab. Er schläft im Flur und versperrt den Zimmermädchen den Weg'“. Ozzy tun die leid, die ihn ertragen mussten Natürlich spielten sich auch weniger schöne Szenen im Leben des Ozzys ab. Der Tod seiner Eltern nahm ihn sehr mit, ebenso wie der tragische Unfall, den er nur durch ein Wunder überlebte und der seinen brillanten Gitarristen Randy Rhoads das Leben kostete. Erfreulicherweise bereut Ozzy seinen Lebenswandel nicht. Er fällt nicht in moralische Predigten und gibt sich als Geläuterter, sondern erzählt schonungslos. Leid tue es im lediglich um die Leute, die ihn ertragen mussten, seine zwei Ehefrauen und vor allem seine fünf Kinder, denen er nie ein richtiger Vater war. Nun hat er die 60 erreicht. Ob er tatsächlich so fit ist, wie er behauptet, sei dahin gestellt. Über seinen momentanen, nüchternen Zustand macht er sich auch keine Illusionen, denn Flasche, Dealer oder zwielichtige Ärzte und all ihre Pillen sind nur einen Anruf entfernt. Doch ob er nun noch zwei oder 20 Jahre lebt, wobei im zweiteres natürlich zu wünschen ist, eines ist ihm immer gelungen: Er hat seine Umgebung unterhalten. Damit hat er seinen sozialen Auftrag erfüllt, denn die Rolle eines Musikers besteht nicht darin, die Welt zu verbessern, sondern sie erträglicher zu machen. Danke dafür, Ozzy.