Nov
24
2009

Seit heute wird zurückzensiert

Seit heute wird zurückzensiert

Minutenlange Berichte und Kommentare in den ARD-Tagesthemen, dem Deutschlandradio, in TV-Morgenmagazinen und seitenlange Interviews, etwa in der Welt – der seriöse Mainstream hat sich des Themas Rammstein bemächtigt. Kein Wunder angesichts der Signalwörter, die Deutschlands momentan erfolgreichste Härtner begleiten: Zensur, Jugendschutz, DDR, Meinungsfreiheit, Nazis, Porno – und alle lassen sich auch noch unter einer Überschrift in einen sinnvollen Zusammenhang bringen. Gestern kam der Rammstein-Tourtross nun im Lande Zensursulas, genauer in München an. Zuvor gastierten Till Lindemann und Co. in Wien. Dort beklagen die Kollegen vom Standard nun ebenfalls Zensur – allerdings mal wieder von Seiten Rammsteins. „In schönster DDR-Manier: Rammstein“ In einem Backstage-Interview habe sich Gitarrist Richard Kruspe über die Indizierung der aktuellen Platte „Liebe Ist Für Alle Da“ beklagt – und sozusagen im gleichen Atemzug habe das Management der Band „gut die Hälfte seiner Wortmeldungen“ zusammengestrichen, schreibt die österreichische Tageszeitung. „Schon erstaunlich, dass eine Formation, die sich selbst als Opfer von Zensur sieht, in schönster DDR-Manier dieselbe betreibt“, empört sich darüber der Journalist vom Standard. Natürlich war zuvor vereinbart worden, das Interview erst von Bandseite prüfen zu lassen. Blümchensex in München Auf ihrer Europatour zeigen sich Rammstein derweil in gewohnt perfekter Inszenierung: Keine Ansagen, stattdessen Feuer frei fürs Pyro-Bühnentheater im wahrsten Sinne des Wortes – zu Beginn hacken sich die Gitarristen dafür durch Steinwände in Richtung Publikum vor. In Basel freuten sich die Fans natürlich noch über das hierzulande indizierte Original „Ich Tu‘ Dir Weh“, das man gestern zum Auftakt der Deutschlandtour in der Münchner Olympiahalle in einer umgeschriebenen Version zu hören bekam: Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung in Form einer „Fahrt auf die grüne Wiese zum ironischen Blümchensex“. Heute Abend beschallen Rammstein die Arena in Leipzig. Eine erhellende Erkenntnis ließ das Management Kruspe dann in Österreich übrigens doch noch durchgehen: „Wir sind natürlich auch zu einer Showband aufgestiegen, von der die Leute nicht unbedingt ununterbrochen neue Alben erwarten. Das ist mir bewusst geworden, als wir begonnen haben, die neue Show zu planen. Es ist manchmal wie ein Fluch, man kann bei Rammstein nicht mehr abrüsten. Du kannst nur noch aufrüsten, weil die Leute immer mehr erwarten.“