May
26
2005

Altherrenpunk und Mädchenswing

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Gutes Musikfernsehen existiert noch immer, es ist nur zunehmend schwierig zu finden. Wir wühlen für euch im täglichen TV-Sumpf und fördern Sehenswertes zu Tage. Schluss mit furzenden Klingeltönen! Hier sind die laut.de Musik-TV-Tipps zum Wochenende von Donnerstag, den 26. bis Montag, den 30. Mai 2005: Tracks: NIN, Hip-Hop-Rodeo, Omar Perry (Magazin) Unsere Lieblingssendung ernennt heute Trent Reznor zum Papst des Industrial Pop. Das Tracks-Konklave betet ihn, gemeinsam mit Rammstein und Marylin Manson, als heilige Dreifaltigkeit industrieller Populärmusik an und wird sicher Erleuchtendes zum neuen NIN-Werk predigen. Hallelujah! Außerdem im Programm: Beknackte Hip Hop-Autorennen in San Francisco, ein Besuch bei Bill Plympton – dem Altmeisters des ‚Erwachsenentrickfilms‘, Geisterfilme aus Kambodscha und ein Liveauftritt von Omar Perry. Der Sohn des Riddim-Schamanen und Dub-Erfinders Lee „Scratch“ Perry wurde 1968 in Kingston geboren. Auf seinem ersten Album ist er mit solch illustren Musikern wie Horace Andy, der Asian Dub Foundation und Adrien Sherwood zu hören. Donnerstag, 23:05 Uhr (Wdh: Samstag, 17:50 Uhr), ARTE. SAT.1 Music Special: Renee Olstead (Konzert) Der von Herrn Schmidt wiederholt des ‚Unterschichtenfernsehens‘ bezichtigte Sender will auch mal Drittes sein. Ein Konzert vom Montreux Jazz Festival 2004. An einem Samstagabend. Noch vor Mitternacht. Huch. Zugegeben, die Zutaten sind kommerziell nicht gänzlich hoffnungslos: Eine Prise allgegenwärtiger Swing-Standards, vorgetragen von einem talentierten wie hübschen jungen Mädchen – das überzeugt Massengeschmack und laut.de-Alteherrenmusikkritiker Hardt gleichermaßen. Klassiker des amerikanischen Songbooks – „Summertime“, „Taking A Chance On Love“, „Someone To Watch Over Me“, „What A Difference A Day Makes“ und sogar „Sentimental Journey“ – haucht die amerikanische Sängerin im Juni auch in deutsche Mikrophone. Gestern zu Gast bei Kuttner, vorgestern auf Raabs Couch, demnächst im ZDF-Fernsehgarten oder auf einer Konzertbühne deines Vertrauens und heute eben im UF. Da hat sicher der Balder seine Finger im Spiel. Samstag, 23:45 Uhr, Sat.1. Lange Rocknacht: J.Lo, Mc Cartney, Joel, Bowie (Konzerte) Sprachen wir gerade von älteren Herren? Um ihrer Rocknacht ein wenig Frische zu verleihen, schieben die Kollegen von 3sat erstmal einen Auftritt der Lopez vorweg, vom September 2001 im ausverkauften ?Roberto Clemente Stadium? in Puerto Rico. Ab 1:35 Uhr geht es weiter mit dem Konzertfilm „Back in the U.S.“, der Paul McCartneys Amerika-Tournee des Jahres 2002 dokumentiert – seine erfolgreichste Konzertreise seit den Beatles. 1978 gab Billy Joel im BBC Theatre in London ein legendäres Fernsehkonzert, ab 2:35 Uhr gibt es das zu sehen. Abschließend (3:35 Uhr) ein Doppelschlag des ohnehin ewig jungen David Bowie. Erst Ausschnitte aus „Ziggy Stardust & The Spiders from Mars“, einem Konzertfilm in der Regie von D.A. Pennebaker, der als Höhepunkt der Glam-Rock Ära gilt, dann ein paar Häppchen eines Konzerts aus dem Jahr 2002 in London. Samstag Nacht, 1:05 Uhr, 3sat. Das besondere Musikereignis: Bossa Nova (Doku) Passend zum letztwöchigen SZ-Magazin Themenschwerpunkt Brasilien bringt uns der MDR den Bossa Nova näher. In seinem Film aus dem Jahr 2004 zeichnet Regisseur Matti Bauer nach, wie die Mischung aus brasilianischem Samba und Cool Jazz aus Rio de Janeiro in den 60er Jahren den Jazz und Schlager erfrischte. Er zeigt, wie Ende der 50er Jahre weiße Musiker wie António Carlos Jobim, Jo?o Gilberto, Carlos Lyra und Roberto Menescal mit dem Samba der Favelas experimentierten. Ihr neuer Beat drückte das Lebensgefühl einer ganzen Generation brasilianischer Jugendlicher aus und zog bald auch amerikanische Jazzmusiker in seinen Bann. Bossa Nova war das Gefühl von Aufbruch und Euphorie einer Epoche, in der Brasilien vom Anschluss an die moderne Welt träumte, zum ersten Mal die Fußball-Weltmeisterschaft gewann und im Landesinneren die futuristische Hauptstadt Brasília erbaute. Mit ihren Liedern vom scheinbar ewigen Sommer Ipanemas schufen die jungen Musiker ein Synonym für schöne Mädchen und Liebe am Palmenstrand. Ihr weißer Samba war eine Revolte der leisen Töne und dissonanten Akkorde: die erste Jugendmusik in einem Land der Dritten Welt, kurz vor den Beatles und Bob Dylan. Und eine Weltmusik, lange bevor es diesen Begriff gab. Sonntag, 22:50, MDR-Fernsehen. Dancer In The Dark (Musicaldrama) Björks erste und, eigenen Aussagen zufolge, auch letzte Hauptrolle in einem Film. Zu emotional aufwühlend seien die Dreharbeiten mit Regisseur Lars von Trier gewesen. In Cannes wurde sie dafür 2000 mit der Goldenen Palme belohnt. Björk verkörpert im Film die tschechische Immigrantin Selma, die zu erblinden droht und als einzigen Ausgleich zu ihrem leidgeschwängerten Leben in einer Laien-Musical-Gruppe auftritt. Montag, 20:40 Uhr, ARTE. Kleines Fernsehspiel: House Of The Rising Punk (Doku) Voreilig hatten wir vergangene Woche an dieser Stelle bereits den letzten Teil der lobenswerten Fernsehspiel-Reihe „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ angekündigt. Aber einer geht noch. Christoph Dreher dokumentiert die Entstehung des Punk in den späten 60ern in New York rund um das CBGB’s, einem 1974 gegründeten, düsteren kleinen Club in der New Yorker Boweryier, Treffpunkt einer Szene von Künstlern wie Andy Warhol, Filmemachern wie Jim Jarmusch und einer neuen Generation von Musikern wie der Patti Smith Group und Television, der Band um Tom Verlaine und Richard Hell. Unterstützt in seinen Dokumentationsbemühungen wurde Dreher von den Spex-Urgesteinen und Chefauskennern Jutta Koether und Diedrich Diederichsen. Ansehen! Montag Nacht, 0:45 Uhr, ZDF.