Jan
21
2005

Ekel vor ‚Wir sind wir‘-Tendenzen

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Nach sieben regulären Studioalben gibt es natürlich einiges zu erzählen. Weil Tocotronic das dieser Tage ziemlich häufig tun müssen, konfrontieren wir Dirk und Arne mit einer kleinen Listening Session, um über bestimmte Songs ins Gespräch zu finden. Zum Beispiel mit „Wir Sind Hier Nicht In Seattle, Dirk“. Der Opener trifft auf geteilte Freude: „Oh nein, kenne ich! Bitte ausmachen“, bittet Dirk verschämt, bevor er ergänzt: „Ich finde das mit der Stimme schlimm. Die Musik kann ich mir eigentlich immer gut anhören, aber wenn man selber gesungen hat, ist das ein bisschen wie seine eigene Stimme auf Tonbandaufnahmen zu hören.“ Natürlich spielt die Band auf der kommenden Tournee trotzdem alte Songs. „Man recherchiert natürlich, was man mal wieder spielen könnte“, so Arne. „Gerade die B-Seiten sind dabei interessant und es überrascht einen immer wieder, weil man vieles auch einfach schon vergessen hat.“ Ein Thema, an dem gerade eine politische Band wie Tocotronic nicht vorbei kommt, ist die teilweise hitzig geführte Diskussion um eine deutsche Radioquote. Erwartungsgemäß eindeutig ist denn auch ihr Standpunkt: „Deutschtümelei, Heimatduseligkeit und nationalistische Gefühle … Wir lehnen die Radioquote strikt ab“. Solcherlei Tendenzen seien derzeit nicht allein im Feld der Musik zu finden: „Beim Film ist es doch nicht anders“, findet der Sänger, „siehe ‚Das Wunder von Bern‘ als deutsche Erweckungsmythologie, oder ‚Hitler menschlich gesehen‘. Und so was wie ‚Wir sind wir‘ und ‚Auferstanden aus Ruinen …‘ in der Musik ist dann einfach relativ unverhohlener Nationalismus“, meint Dirk, und führt grinsend aus: „Als stramm links-sozialisierte Antinationalisten, die wir nun mal sind, und wie es uns in autonomen Jugendzentren seinerzeit eingeprügelt wurde, ekelt uns das natürlich an.“