Feb
17
2016

Jeff Buckley: Columbia hebt einen Schatz!

Jeff Buckley_You And I_Cover

Zwar war bekannt, dass diese Bänder existieren, niemand aber hatte eine Ahnung, wo sie abgeblieben waren. Jetzt wurden sie wiederentdeckt. Die Aufnahmen, die Jeff Buckley 1993 bei seiner ersten Session für Columbia Records einspielte, erscheinen nun unter dem Titel „You And I“ und präsentieren den Sänger pur: allein im Studio, mit Gänsehautstimme und erlesenem Songmaterial – ein Geschenk nicht nur für Fans!

Text: Ernst Hofacker

Herbst 1992: Jeff Buckley, damals 25 Jahre alt, Sohn des legendären, 1975 verstorbenen Kultsängers Tim Buckley, sorgt mit seinen Auftritten im New Yorker „Sin-é“-Club für Furore. Seit er dort im April zum ersten Mal aufgetreten ist, platzt das kleine irische Café im East Village regelmäßig aus den Nähten. Im Spätsommer schon ist Buckley das Gesprächsthema in der Szene, und die ersten schweren Limousinen mit den Managern der großen Plattenfirmen fahren am St. Mark’s Place vor, um den Wunderknaben zu begutachten. Sie erleben einen eklektischen Mix aus selbstgeschriebenen Songs und verschiedensten Coverversionen – Buckleys Spektrum reicht von Van Morrison über The Smiths und Edith Piaf bis hin zu Robert Johnson und Elton John. All das bringt der schlaksige Junge mit ungeheurer Intensität zu Gehör. Wenn er singt, kann man im „Sin-é“ die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören, so still und gebannt lauscht das Publikum. Alle wissen: Hier steht ein kommender Star.

Intimes Porträt des jungen Buckley

Columbia Records, das Label, das schon Giganten wie Billie Holiday, Bob Dylan und Bruce Springsteen verpflichtet hat, macht das Rennen. Der Vertrag wird im Oktober unterzeichnet, und am 22. Februar 1993 steht Buckley mit A&R-Mann Steve Berkovitz und Toningenieur Steve Addabbo (siehe Bild) in dessen Shelter Island Studio in Manhattan. Ganz allein interpretiert er dort ausgesuchtes FremdmatSteve Addabbo Press Photo_Studioerial und mit „Grace“ und „Dream Of You And I“ zwei eigene Kompositionen, die später zu Signature-Songs werden. Bei den Aufnahmen begleitet er sich wahlweise auf der akustischen und der elektrischen Gitarre, am Wurlitzer-Piano und auf einem Harmonium. Ansonsten ist da nur diese einzigartige Stimme.

Nach zwei Jahrzehnten zufällig entdeckt

Letzten Endes aber beschließen die Columbia-Manager, dem Publikum zunächst die Intensität der Buckley-Konzerte zu vermitteln. Also erscheint im November 1993 das Schallplattendebüt des Newcomers in Gestalt der 4-Song-Live-EP „Live At Sin-é“. Die Aufnahmen aus dem Shelter Island Studio landen erst einmal im Archiv …
Seitdem galten sie als verschollen. Erst 2014, als man bei Columbia überlegte, wie man das damals anstehende 20-jährige Jubiläum von Buckleys Album „Grace“ feiern könnte, tauchten sie unverhofft wieder auf. Inzwischen wurden die Bänder sorgfältig restauriert, und siehe da: „You And I“ ist nicht weniger als eine Sensation.

Einfühlsame Interpretationen seiner LieblingssongsJeff-Buckley-Live_Photo-Credit-Mikio-Ariga

Zum ersten Mal können Buckley-Fans den Sänger nun in dieser frühen, entscheidenden Phase seiner kurzen Karriere gleichsam hautnah erleben. Und wie die intensiven, feinsinnigen Interpretationen von Songs wie Bob Dylans „Just Like A Women“, „Night Flight“ (Led Zeppelin), „I Know It’s Over“ (The Smiths) und „Everyday People“ von Sly & The Family Stone zeigen, befand sich Buckley zu diesem Zeitpunkt in der Form seines Lebens. Nicht umsonst sprechen Musikkritiker im Zusammenhang mit „You And I“ vom Heiligen Gral des Buckley-Repertoires. Und das ist ausnahmsweise mal nicht übertrieben.

 

Jeff Buckley „You And I“ (VÖ: 11.3.2016)Jeff Buckley_You And I_Cover_

Tracklisting:
1. „Just Like A Woman“ (Bob Dylan)
2. „Everyday People“ (Sly and The Family Stone)
3. „Don’t Let The Sun Catch You Cryin’“
(Im Original aufgenommen von Louis Jordan)
4. „Grace“ (Original)
5. „Calling You“ (Jevetta Steele)
6. „Dream Of You And I“ (Original)
7. „The Boy With The Thorn In His Side“ (The Smiths)
8. „Poor Boy Long Way From Home“ (Bukka White)
9. „Night Flight“ (Led Zeppelin)
10. „I Know It’s Over“ (The Smiths)