Sep
2
2010

„Von Rammstein kam eine Absage“

„Von Rammstein kam eine Absage“

Seit sechs Jahren engagiert sich Laut Gegen Nazis e.V. gegen Rechtsradikalismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie. Der Verein hat bereits viele Aktionen und Kundgebungen organisiert, er unterstützt – gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung Berlin – junge Initiativen, die mit viel Zivilcourage z.B. gegen Ausländerfeindlichkeit kämpfen. Und er geht stets dahin, wo es wehtut, etwa in die Fußballstadien, in denen rechte Gesinnung sich oft artikuliert. Unterstützung erfährt der Laut Gegen Nazis e.V. dabei von prominenten Musikern wie Smudo, Silbermond oder Bela B. Natürlich ist man aber auch auf Spenden angewiesen, und genau daran hapert es seit einigen Monaten. Wir sprachen mit Jörn Menge, dem Initiator und Kopf von Laut Gegen Nazis über die aktuelle Situation und die Frage, warum sich manche Bands oder Musiker gegen Nazis engagieren und andere nicht. laut.de: Am 4. September findet auf dem Spielbudenplatz in Hamburg eine große Kundgebung für den Verein Laut Gegen Nazis statt, weil euch finanzielle Mittel fehlen. Wird es schwerer für euch, Unterstützer zu finden und woran liegt das? Jörn Menge: Der 4. September 2010 war eigentlich schon länger als Großkundgebung für ein bundesweites Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Menschenverachtung geplant. Hierfür haben wir den Justizsenator der Hansestadt Hamburg Dr. Till Steffen als Schirmherren gewinnen können. Erst Ende Juli wurde deutlich, dass unsere wirtschaftliche Kraft keine langfristigen Planungen mehr zulässt. Bis zu 60% Einbrüche auf der Einnahmenseite im ersten Halbjahr, haben uns dann veranlasst, eine offizielle Pressemitteilung zu unserem Geldmangel zu versenden. Einerseits ist sicherlich auch bei uns die Folge der Wirtschaftskrise zu spüren. Unternehmen, die noch vor einem Jahr Projekte mit finanziert hätten, haben diesen Zustand zumindest als Argument benannt. Wobei erschreckend ist, dass ein Teil der befragten Unternehmen sich deshalb nicht engagieren, weil sie bei diesem Thema einen Umsatzeinbruch bis zu 30% fürchten. Das entspricht den Statistiken, die sagen, dass ca. 30% der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger rechtsradikales Gedankengut in ihren Köpfen tragen (lt. Studie/Friedrich Ebert Stiftung und statistischer Erhebung des Bundestags). Aber auch Spender und neue Mitglieder für den Verein Laut gegen Nazis e. V. (unser Förderverein), blieben in den letzten Monaten aus. Zudem ist das Thema Rechtsextremismus auch kein beliebtes Spendenthema. Wir haben da zwar einige Erfolge erzielt. Grundsätzlich aber ist das Thema unattraktiv und es gibt Berührungsängste mit einem unangenehmen Thema, das uns aufgrund der Vergangenheit des Landes alle angeht. Aber wir können natürlich auch kein amtliches Ergebnis vorweisen und behaupten, dass wir mit unserer Arbeit erreichen, dass es weniger Nazis und Rechtsextreme gibt. Wir bauen keine Brunnen. Prominente Persönlichkeiten aus Kultur und Gesellschaft unterstützen eure Arbeit, darunter einige deutsche Musiker und Bands. Sucht ihr eure Partner selber aus, oder nehmt ihr auch ‚Bewerbungen‘ entgegen? Selbstverständlich fragen wir die Persönlichkeiten auch an. In den letzten Jahren war es allerdings auch so, dass wir ein erhöhtes Engagement feststellen konnten und viele unserer Partner auf uns zukamen. Ein durchaus positives Signal. Bewerbungen gibt es in dem Sinne nicht. Viel mehr leben wir von der Mund zu Mund-Propaganda und davon, dass sich Persönlichkeiten mit Herz engagieren und nicht mit der PR-Brille. Wer hat euch bislang am meisten unterstützt? Das ist eine schwere Frage, jedoch können wir sagen, dass Smudo, Peter Lohmeyer, Silbermond, Sportfreunde Stiller, Revolverheld unsere ersten Partner wurden. Und das vor sechs Jahren. Jede Partnerin und jeder Partner hat sein vollstes Engagement im Rahmen der mit ihnen durchgeführten Aktionen und Veranstaltungen erbracht. Auch die hier nicht erwähnten Künstlerinnen und Künstler. Dafür danken wir, weil sie ihre Popularität für ein ernstes Thema unkompliziert zur Verfügung stellen. Keiner der Künstler und Bands hat je Gagenforderungen gestellt. Achtet ihr auf die politische Einstellung eurer Partner? Wer sich bei unserer Kampagne engagieren möchte, ist herzlich willkommen. Wir handeln nach dem demokratischen Prinzip der Meinungsfreiheit und sind überparteilich. Hierbei geht es darum, gegen den wachsenden Rechtsextremismus in Deutschland zu agieren. Dies bleibt unser Thema. Wer wen wählt, interessiert uns nicht. Silbermond propagieren etwa in „Irgendwas Bleibt“ den Rückzug aus einer unübersichtlichen Öffentlichkeit ins Private. Stört euch das nicht? Fakt ist, dass Silbermond uns immer dann, wenn es öffentlich wird, stark unterstützen. Ein Liedtext unterscheidet sich meist vom wahren Leben. Dazu fällt uns ein Urteil schwer, aber wir können sagen, dass diese Band uns öffentlich nie im Stich gelassen hat. Habt ihr schon mal eine Zusammenarbeit abgelehnt? Wir lehnen eine Zusammenarbeit nur dann ab, wenn jemand die PR-Wirkung unserer Kampagne nutzen möchte ohne hinter der Aussage zu stehen. Gott sei Dank haben wir bisher nur gute Erfahrungen gemacht und hatten nie das Gefühl, dass uns jemand benutzt. Für alle Beteiligten lege ich meine Hand in das Feuer, dass diese in keiner Weise auf sich selbst bedacht sind. Habt ihr schon mal jemand – z.B. wegen seines Gesinnungswandels – rausgeschmissen? 2005 hat sich die ehemalige Ex-Tagesschausprecherin Eva Herman mit einem Hörbuch und kleinen Aktionen im Rahmen unserer Kampagne glaubwürdig engagiert. Bis zum Jahr 2007. Als ihr erstes Buch erschien, waren wir bereits skeptisch. Als ihr zweites Buch erschien, mussten wir aufgrund ihres Verhalten einen Ausschluss aus unserer Kampagne anstreben und haben diesen auch erwirkt. In ihrem zweiten Buch hatte sie die Familienpolitik der Nazis beschönt und auch entsprechend in Interviews agiert. Der NDR kündigte ihr nach diesem Desaster ebenfalls ihre Arbeitsstelle. Wir hatten sie zeitgleich aufgefordert, eine Stellungnahme bei uns über ihre Äußerungen abzugeben. Dies tat sie nicht, so dass wir sie auffordern mussten, nachdem sie sich mit der Teilnahme bei uns in der BILD öffentlich für ihre missverständlichen Aussagen zur Nazipolitik entschuldigen wollte, nicht mehr mit uns in der Öffentlichkeit zu argumentieren. Vor etwa einem Jahr sandte sie uns sprachwissenschaftliche Auswertungen über ihre damals getätigten Aussagen zu. Sie wollte durch uns rehabilitiert werden. Wir haben darauf nicht mehr reagiert. Habt ihr schon einmal Absagen von Bands oder Musikern bekommen? Die Ärzte beispielweise engagieren sich ja bereits anderswo. Rammstein dagegen wollten aus anderen Gründen nicht, oder? Nun, das kommt vor. Die Ärzte und Die Toten Hosen haben ihre eigenen Aktionen gegen Nazis. Bela B. unterstützt unsere Kampagne aus vollem Herzen als Solo-Künstler und sammelte ohne, dass wir es wussten bei seiner letzten Tournee Spenden für unseren Förderverein. Von Rammstein haben wir durchaus Absagen erhalten. Es sei klar, woher die Band kommt (linkes Spektrum Berlin) und es sei indiskutabel, sich unbedingt gegen Rechtsextremismus öffentlich zu engagieren, war immer die Aussage. Man kann es der Band vielleicht nicht übel nehmen. Jedoch wird sie auch aufgrund ihres Auftretens von sehr vielen Menschen kritisiert. Es hat etwas Martialisches, Germanisches, wenn man sich die Shows ansieht. Wir kritisieren hierbei ganz deutlich, dass man in Kauf nimmt, auch das falsche Klientel aus der rechten Szene auf seine Konzerte zu ziehen. Dies ist sogar nachweisbar. Bei jedem bisher durchgeführten Konzert der Band in Deutschland, haben uns Securitys und auch das Personal berichtet, dass rechtsextreme Gäste durchaus zu sehen und zu spüren waren. Bei Rammstein hätten wir uns durchaus ein Engagement im Rahmen unserer Kampagne oder im Rahmen anderer toller Aktionen von Initiativen gewünscht. Eine öffentliche Stellungnahme zu diesem Thema findet seitens der Band nur sehr selten statt. Du meinst also, dass Rammstein ein Engagement bei euch ablehnen, weil sie finanzielle Nachteile fürchten? Es wäre unverschämt, der Band so etwas zu unterstellen. Nur böse Zungen würden davon ausgehen, dass eine Mitwirkung bei Initiativen gegen den Rechtsextremismus in Deutschland auch den Umsatz von Rammstein schmälern würde. Jedoch wollen wir niemanden etwas unterstellen, sondern würden uns natürlich freuen, wenn Rammstein klar Stellung bezieht und vielleicht selber erklärt, warum ein Engagement in diese Richtung so gut wie gar nicht stattfindet. Worin siehst du die wichtigsten Ziele für die Zukunft? Die wichtigsten Ziele unserer Kampagne sind klar definiert. Wir wollen unabhängig ein Bewusstsein in der Zivilgesellschaft zu dem Thema Rechtsextremismus und Nazis schaffen, damit Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Menschenverachtung keine Chance haben. Hierzu bedienen wir uns an PR und Marketingstrategien. Nur leider ist es so, dass immer mehr Menschen das Thema nicht sehen wollen und als unangenehm empfinden. Wir leben in einer Zeit, in der Zeitzeugen der NS-Vergangenheit aussterben. Wir wollen erreichen, dass neue Nazis keine Chance erhalten, ihre menschenverachtende Ideologie in die Gesellschaft zu tragen. Mit Hilfe der Popularität unserer Partner können wir die Gesellschaft sensibilisieren. Dabei wünschen wir euch viel Erfolg!