Jul
29
2010

Zu Besuch bei Linkin Park in LA

Zu Besuch bei Linkin Park in LA

Jeden Tag steht ein Depp auf, man muss ihn nur finden. Der Depp setzt sich (insgesamt) 27 Stunden in einen Flieger, um ein 20-minütiges Interview mit Linkin Park zur kommenden Scheibe zu führen. Frankfurt – Zürich – L.A. – Frankfurt – Koma. Was nimmt man also aus anderthalb Tagen West Hollywood mit, außer dass Lemmy NICHT jeden Abend im Viper Room seinen Whisky kippt? Immerhin eine Begegnung mit Mike Shinoda, der sich im Interview als heller und interessanter Kopf erweist. Oder die Erkenntnis, dass das neue LP-Album sicher manchen alten Fan überraschen wird. Linkin Park: Erstes Snippet vom neuen Album Ansonsten scheint Los Angeles fest in der Hand alter Säcke zu sein. Wenn man etwa den Sunset Boulevard entlang schlappt, grinst einem von einer überdimensionalen Leinwand ein sonnenbebrillter Gene Simmons entgegen und preist dabei seine Kronjuwelen an. Vielleicht waren es auch die Familienjuwelen, egal. Der springende Punkt ist, dass KISS in den USA vor allem dank der Schlabberzunge und seinem familiären Anhang sozusagen zum Tagesgeschehen gehören. Gute Figur beim Einlochen Nun tritt aber auch Spaceman-Ersatz Tommy Thayer in Erscheinung, und zwar nicht als Big Business-Egomane, sondern als Golfer. Auf dem Golf Channel (kein Witz, den gibt’s in den Staaten echt!) versucht der Gitarrist beim Einlochen eine gute Figur zu machen. Wie das mit dem 9er Eisen in der Hand aussieht, ist eine Sache. Als KISS-Mitglied dürfte er aber zumindest abseits des Greens Tiger Woods in Sachen Einlochen noch einiges voraus haben. Zur mentalen Unterstützung ist jedenfalls Gene samt Anhang Shannon Tweed dabei. Mit Faltencreme ins Aufnahmestudio Alte Säcke wieder ausbuddeln und zurück in die Band holen, ist gerade wieder unglaublich angesagt. Den Vogel schießt Gruselfalte Alice Cooper ab, der für seine nächste Scheibe die Rhythmussektion seines Debüts (von 1969!) wieder ausgebuddelt hat. Damit dürfte der Rider für das Aufnahmestudio neben mehreren Litern Falten- und Haftcreme wohl auch mindestens zwei Zivis, die ein oder andere Hüftprothese und vielleicht manch ansehnliche Krankenschwester enthalten … Auch der alte Sack Steven Adler mag noch als Drummer von Guns N’Roses zu Zeiten von „Appetite For Destruction“ bekannt sein. Seit seinem Rauswurf arbeitet er beständig daran, so was wie der Lothar Matthäus der Rockszene zu werden. Dass man Frauen knattert, die man locker bereits selber in die Welt gesetzt haben könnte, gehört im Rock-Zirkus ja zum guten Ton. Adler ist aber einer von denen, die sich gern selbst ungefragt als Kandidat für vakante Stellen ins Spiel bringen (ob jetzt als Drummer oder Bundestrainer spielt dabei keine Rolle). Bei Guns N’Roses, Velvet Revolver, Mötley Crüe oder zur Not auch bei Cannibal Corpse würde Steven jederzeit den Posten hinter den Drums übernehmen. Blöd nur, dass keiner fragt. Naja, bleibt ihm mehr Zeit, um einfach noch ein zweites Buch zu schreiben. Affinität zu schnittigen Blechkisten Bücher schreiben auch andere alte Säcke, in dem Fall nämlich Brian Johnson. Sein Buch mit dem schönen Titel „Rock Auf Der Überholspur: Eine Automobile Autobiographie“ ist mittlerweile auch auf Deutsch erschienen und absolut lesenswert. Nicht nur für Leute, die eine gewisse Affinität zu schnittigen Blechkisten haben, sondern auch für den gemeinen Rock’n’Roller. Dass AC/DC in Sachen bestverdienende Tourband meist hinter den Rolling Stones her fährt, lässt sich da wohl verschmerzen … Michael Edele berichtet in seiner wöchentlichen Kolumne über Themen aus der Welt von Rock und Metal. Feedback und Anregungen gerne direkt an [email protected].