May
15
2006

Zickenkrieg mit Grand Prix-Nicole

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Man hätte das vielleicht nicht für möglich gehalten. Auch im Jahr 2006, über dreißig Jahre nach den ersten Auftritten von Kiss und Alice Cooper, bringen böse Masken biedere Bürger immer noch in Rage. Dass die finnischen Lordi beim trotz Raab und Guildo Horn immer noch kreuzbraven Eurovison Song Contest antreten, scheint gar einen regelrechten Clash der Kulturen herauf zu beschwören. In der vergangenen Woche hatte Nightwish-Keyboarder Tuomas Holopainen in einem Interview erklärt, warum er beim finnischen Vorentscheid mindestens fünfmal für Lordi angerufen habe: weil dieser „geschmacklose und schreckliche“ Wettbewerb all das repräsentiert, was Holopainen an der Musik hasst, sollen Lordi da mal ein wenig frischen Wind reinbringen und das Grand Prix-„Pack“ am besten ordentlich schockieren. So gruselig ist der Song „Hard Rock Hallelujah“, den Lordi in Athen performen wollen, zwar gar nicht, die schockierende Wirkung jedoch eilt dem Ereignis bereits voraus. Zunächst hatten sich finnische Katholiken über den angeblichen Satanismus der Hardrocker empört, offenbar ohne ihren Song „Devil Is A Loser“ zu kennen. Anfang der Woche sprang nun auch Bild auf den bereits ordentlich rollenden Zug auf, das Krawall-Blatt gab seiner Busenfreundin Nicole eine Plattform, die „Grusel-Rocker“ mit „Porno-Sängerin“ ganz unfriedlich in Grund und Boden zu stampfen. Die „ekelerregende Horrormaske und eine Sängerin, die einen Privat-Porno drehte“ mit ihrem „grenzenlosen Geltungsbedürfnis“ hätten bei „unserem schönen Grand Prix „nichts zu suchen“, schimpft die einstige Gewinnerin. Sie könne nicht verstehen, warum das Komitee zulasse, dass „dieser traditionelle Liederwettstreit von solchen Leuten missbraucht und beschmutzt“ werde. In seiner Replik beweist „Ekel-Gesicht“ Lordi der Bildzeitung, dass er „wirklich so fies ist, wie er aussieht“, indem er auf „unsere brave Grand Prix-Legende Nicole“ losgeht: „Die spießige Nicole soll endlich aufwachen. Ihr Grand-Prix-Lied ist gräßlich und langweilig! Da schlafe ich fast im Sitzen ein! Zwischen ihrem Sieg und heute liegen fast 25 Jahre, da hat sich vieles verändert. So ein langweiliger Song wie ‚Ein bißchen Frieden‘ würde heute nichts mehr gewinnen.“ Trommeln gehört halt zum Handwerk. Doch wenigstens der Lordi-Sänger hat seinen Sinn für die Realität noch nicht verloren, wie er in einem etwas ernster zu nehmenden Interview beweist. In Wahrheit ist nämlich alles relativ, kommt’s auf die Perspektive an: „Ich frage mich, für wen die (Grand Prix-)Begegnung unheimlicher ist“, sagte Lordi am Wochenende zum dem Hamburger Abendblatt, „für uns oder für die anderen Interpreten. Auf der anderen Seite: Für viele jugendliche Metal-Fans in Finnland sind wir, genauso wie unsere Idole Kiss oder Alice Cooper, zu seicht, zu melodiös. Für sie sind wir eigentlich Pop. Hargh!“